Über Martin Luthers Wirken und Wirkung ist in letzter Zeit viel zu hören und zu lesen gewesen. Weniger bekannt ist, daß er indirekt die Jenaer Stadtentwicklung mitzuverantworten hat, und das kam so: Die längere Geschichte setzt spätestens 1547 ein, mit der Niederlage des Schmalkaldischen Bundes gegen die Truppen Kaiser Karls V. in der Schlacht von Mühlberg. Damit hatten die protestantischen Reichsstände mit Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen an der Spitze den von Luthers Wirken verursachten Schmalkaldischen Krieg verloren, und außer einer fünfjährigen Gefangenschaft mußten beide erhebliche andere Verluste hinnehmen. Johann Friedrich der Großmütige verlor mit dem sächsischen Kurkreis seine Kurwürde, seine Residenz Wittenberg und eben auch die dortige Universität, die er als den geistigen Hort der lutherischen Lehre ansah und entsprechend gefördert hatte. Noch aus der Gefangenschaft heraus wies er seine Söhne an, im Gebiet der verbliebenen thüringischen Besitzungen Ersatz zunächst in Form einer ''Hohen Schule'' einzurichten. Die dafür passende Immobilie fand sich statt in der nunmehrigen Hauptstadt Weimar im benachbarten Jena, wo ein Dominikanerkloster leerstand, in dessen Innenhof wir hier stehen; die Mönche waren vorm umgehenden lutherischen Protestantismus in katholischere Gegenden davongezogen. So kam die Universität nach Jena, und deren beständiges Florieren in Forschung und Lehre veranlaßte im Jahre 1846 den Mechaniker Carl Zeiss, gezielt hier eine feinmechanisch-optische Werkstatt zu eröffnen, wo reger Bedarf und agile Kundschaft zu erwarten waren. Aus der kleinen privaten Werkstatt ging wiederum die große Firma Carl Zeiss Jena hervor, die im Laufe der 1960er Jahre, dann als volkseigenes Kombinat, zum RGW-Leitbetrieb für den wissenschaftlichen Gerätebau aufsteigen sollte. Um den projektierten Bedarf an Flächen für Forschung, Entwicklung und Verwaltung abzudecken und vor allem als Zeichen der neuen sozialistischen Zeit wurde nun der runde Büroturm in die westliche Altstadt gerammt; daß dafür teils wertvolle Bausubstanz geschleift werden mußte, die selbst die Bombenangriffe überstanden hatten, ist ein anderes, ein politisches Kapitel. Noch vor Fertigstellung des Baus änderten sich allerdings die RGW-Prämissen, und die dreiviertelgediehene Betonröhre wäre um ein Haar völlig überflüssig gewesen. Man konnte sie aber der stets unter Raumnot leidenden Universität ans Knie nageln, die denn auch unwillig einzog und den ungeliebten, weil für universitäre Zwecke wenig geeigneten Bau bespielte, solange es nötig war. Es waren ja z. B. keine richtigen Hörsäle denkbar in einem Gebäude mit normaler Bürogeschosshöhe und je zwei halbkreisförmigen Großräumen pro Etage. Erst als nach 1990 das Kombinat VEB Carl Zeiss Jena entflochten, also de facto aufgelöst wurde und nun auch mit dem ehemaligen Zeiss-Hauptwerk wieder einmal eine geeignete Immobilie leerstand, konnte man nach dorthin umziehen. So scheinen sich die Kreise zu schließen.
Und liest man nun heute diese Ereigniskette rückwärts: Turmbau - Zeisswerkstatt - Unigründung - Schmalkaldischer Krieg - Thesenanschlag, dann steht es fest: Luther ist an allem schuld! Letztlich sogar am Zustandekommen und am Schnitt dieses Panoramas. Einzig, daß der durch den JenTower so viele Himmel wieder mal diskutabel ist, das hat jemand anderes verzapft.
Kamera : Canon PowerShot G5 X
Bilder : 20x JPG HF in zwei Reihen, freihand
Brennweite: 8,8 mm
Blende : F7,1
Belichtung: 1/60 bis 1/1250 bei ISO 125
Software : Hugin, Gimp, IrfanView
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Comments
Gerne gebe ich, wie Arne, hier 4 Sterne, wenngleich der Himmel doch deutliche Schwächen aufweist. Falls du im RAW-Format fotografiert hast gäbe es in Hugin (in den anderen Stitchern vermutlich auch) die Möglichkeit, das Bild mit einer Reduzierung des hohen Dynamikumfanges vornehmen zu lassen. Damit könnte der ausgebrannte Bereich in den Wolken beherschbar sein.
Ich sehe eigentlich keine erwähnenswerten Schwächen im Himmel,
jedoch hätte ich den Bewuchs über dem Prunkwappen mehr aufgehellt.
Das Panorama ist aber auch gut gemacht, sogar der lichte Himmel, in die nun schon 500 Jahre lang reformierte Gläubige zu Luther und auch dem bigotten Landgraf gekommen sind.
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