... ein spannendes Motiv zum Nachsinnen entdeckte ich, als wir auf der Rückfahrt von Budapest in den Norden Ungarns in Vác bei bestem Wetter einen Zwischenstopp machten.
Drachenboote an der Donau - ein sicher ungewöhnliches Motiv ... ob es nur ein touristisches Angebot ist, um auf die von ausgewanderten Chinesen weltweit in Mode gekommenen Drachenbootrennen hinzuweisen, oder ob es sich um Gastgeschenke Chinas anlässlich Orbáns Politik der östlichen Öffnung handelt, entzieht sich letztendlich meiner Kenntnis. Zweiteres schloss ich zwar intuitiv aus, aber der Nährboden für so eine These ist bei der Schlitzohrigkeit dieses Politikers ja durchaus gegeben ...
Zwei Punkte, um dieses Motiv mit ein wenig Leben aus Vergangenheit und Gegenwart zu füllen:
1. Das Drachenbootfest gehört seit Jahrhunderten zu Chinas wichtigsten Festen und hat seinen Ursprung in der Person des Herrn Qu Yuan (340-278 v. Chr.). Er war nicht nur ein patriotischer Dichter, sondern auch ein loyaler Beamter des Staates Chu, der durch Verleumdung eifersüchtiger Kollegen vom König ins Exil geschhickt wurde und diese Zeit nutzte zahlreiche Gedichte, die seine Liebe und Leidenschaft für sein Land zum Ausdruck brachten, niederzuschreiben.
Nachdem im Jahr 278 v.Chr.der Qin-Staat die Hauptstadt von Chu eroberte, beging Qu Yuan aus Verzweiflung Selbstmord, indem er sich am fünften Tag des fünften Mondmonats im Fluss Miluo ertränkte.
Legenden nach ruderten die erschütterten und traurigen Einheimischen auf den Fluss hinaus, um nach Qu Yuans Leichnam zu suchen. Um diesen zu bewahren, geschah dies trommelnd und mit den Paddeln auf das Wasser schlagend, um die bösen Geister zu vertreiben. Reisklumpen wurden in den Fluss geworfen, um die Fische zu füttern, damit sie Qu Yuans Leiche nicht fressen würden. Dies - so die Geschichte - war der Beginn um Qu Yuan am fünften Tag des fünften Mondmonats zu gedenken (Drachenbootfest) und Drachenbootrennen begannen. Die ursprünglich in den Fluss geworfenen Reisklumpen wurden zu klebrigen Reisknödeln geformt und sind seitdem zu traditionell kulinarischen Köstlichkeiten während des Festes geworden.
2. ... dass Orbán's Ungarn chinakritische Resolutionen der EU blockierte und in seiner Politik der östlichen Öffnung mit dem Reich der Mitte seit Jahren anbandelt, ist nicht erst seit den vom Regierungschef persönlich in Empfang genommenen Corona-Hilfspaketen im März 2020 bekannt ... und wenn im Jahr 2024 die chinesische Eliteuniversität Fudan in Budapest ihren ersten Campus außerhalb Chinas eröffnet, dann könnten die hier so "friedlich" an der Donau liegenden Drachenboote durchaus Spekulationen öffnen und Symbolcharakter haben ... ;-) !?!
Genug der persönlichen Gedanken zu diesem Motiv ... manchmal kann der tiefere Blick in eine Fotografenseele ja auch interessant und spannend sein und ein normales Panorama beleben ... übrigens, ich kann jedem Ungarn Interessierten zwei lesenswerte Werke - die ich noch nicht ganz "durch habe" - von Paul Lendvai empfehlen:
Die aufschlussreiche Biografie "Orbán's Ungarn" und "Die Ungarn - eine tausendjährige Geschichte" ... Lendvai ist selbst Ungar und lebt seit 1957, nach dem Ungarn-Aufstand, in Österreich wo er u.a. jahrelang Leiter der Osteuropa-Redaktion des ORF war. Beide Bücher sind definitiv ein "must", wer in Ungarn nicht nur Csárdás, Wein und die ungarische Küche genießen möchte ...
Links mit weiteren Informationen zu o.g. Punkten:
Dragon Boat Festival - History (English):
https://www.chinahighlights.com/festivals/dragon-boat-festival-history.htm
Ungarns riskante Freundschaft mit China - Artikel NZZ:
https://www.nzz.ch/international/ungarns-freundschaft-mit-china-kredite-vetos-und-ein-uni-campus-ld.1625769
Nikon D500, AF-S Nikkor VR 16-85mm - 10 Aufnahmen, freihand
Aufnahmezeit 15:45 Uhr MESZ
Blende: f/10
Belichtung: 1/640
ISO: 100
Brennweite: 27mm KB
Hans-Jürgen Bayer, Müller Björn, Peter Brandt, Jörg Braukmann, Friedemann Dittrich, Johannes Ha, Heinz Höra, Martin Kraus, Dieter Leimkötter, Giuseppe Marzulli, Steffen Minack, Jörg Nitz, Jan Lindgaard Rasmussen, Danko Rihter, Werner Schelberger, Björn Sothmann, Arjan Veldhuis, Jens Vischer
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Comments
Aber hier geht es ja um das Panorama und das finde ich gleich im Einstieg mit den Drachenbooten sehr gelungen. Es ist immer wieder schön, den heimatlichen Fluss in anderen Ländern wiederzusehen.
Eine schöne Gelegenheit dieses Kennenlernens findet alle zwei Jahre hier in Ulm und Neu-Ulm statt - das Internationale Donaufest - ein Schaufenster der internationalen Donau-Partnerschaft und der kulturellen Begegnung. Nächster Termin: 01. - 10. Juli 2022 https://www.donaufest.de/
Übrigens sind Drachenboote an der Donau, für mich als Ulmer kein ungewöhnliches Motiv. Seit 2004 gibt es hier den 1. Ulmer Drachenbootverein.
VG Werner
Nicht mal "Scaramouch" passt da - vielleicht eher "buffoon" :-/
Dein Pano gefällt mir gut. Wie breit die Donau hier doch schon ist !!
@ Werner & Hans-Jürgen
Definitiv zu "harmlos", aber ich möchte dieses Land gerne weiter bereisen ... DANKE für den interessanten Link, Werner. Dieses Donaufest interessiert mich definitiv und habe mir den Termin einmal vorgemerkt.
Übrigens: Schaut Euch nochmals mein Panorama #29761 an - "düstere Stimmung über Budapest" ... die dunkle Wolke ganz rechts in #29761 lässt einen Turul Madár vermuten, der direkt über der Regierungsresidenz einen "gonosz törpe" in seinen Fängen hält und ins Licht fliegt ... manchmal "leben" unsere Bilder. Der "Turul Madár" ist ein ungarisches Fabelwesen und symbolisiert Freiheit (ich berichtete im Tatabánya-Pano darüber - zwei davon derzeit auch noch auf meinem Testplatz) ...
LG Jörg
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