Die leicht ortsveränderte und stark erweiterte Rundumvariante zu Nr. 15378 scheint in zwei Teile zu zerfallen, wobei die Teile mehr miteinander zu tun haben, als man ahnt:
Ende 1885 hatte der norddeutsche Unternehmer Godhard Prüssing in Göschwitz eine Portlandzementfabrik gegründet; 1886 begann dafür der Abbau von Unterem Muschelkalk am Mönchsberg. Produktion und Absatz vor allem im mitteldeutschen Raum liefen wechselnd wie Wirtschaft und Politik im 20. Jahrhundert, nach 1945 als VEB Zementwerk Göschwitz. Schon zu Godhard Prüssings Zeiten hat es eine wirkliche Aue im Jenaer Saaletal kaum noch gegeben, allerdings boten Felder, Weiden und eingestreute Gärten zumindest ein naturhaftes Bild. Das Ende dafür kam Mitte bis Ende der 1960er Jahre, als nach weitreichenden Beschlüssen des RGW - östliches Gegenstück zur EWG - der Standort Jena zum Zentrum des wissenschaftlichen Gerätebaus für den Ostblock ausgebaut werden sollte. Flächen für die nötige Erweiterung und Neuanlage von Produktions- und Entwicklungsgebäuden fanden sich ausreichend nur im Überschwemmungsgebiet der Saale südlich der Stadt, aber es galt als sicher, die Saaletalsperren würden den Talboden ja trocken halten. Also siedelte man ab ca. 1966 Betriebsgebäude an, die später als Betrieb Göschwitz oder U-Betrieb des Kombinates VEB Carl Zeiss Jena firmierten. Schnell stellte sich heraus, dass die Nachbarschaft mit dem rauchenden und staubenden Zementwerk höchst untauglich war für Reinraumproduktion und Präzisionsfertigung. Also wurde kurzerhand das Zementwerk zunächst geschlossen - nebenbei ein Segen für Umwelt und Anwohner - und der Steinbruch Mönchsberg 1967 stillgelegt. Da natürlich die neuen Anlagen - und auch die bestehenden Werke in der Stadt - Personal brauchten, welches zeitweise DDR-weit angeworben oder gar per Absolventenlenkung nach Jena gelotst wurde, hatte sich der Bedarf an Wohnraum derart vergrößert, daß nur noch die Plattenbauweise und das Wohnungsbauprogramm der DDR annähernde Abhilfe schaffen konnten. Hier bot sich die zweite Karriere fürs Zementwerk an: Man baute es um zum Fertigteilwerk für die Bauelemente, die man fast gleich um die Ecke zum neuen Stadtteil Neulobeda zusammensetzte. Nur den Zement mußte fortan bis 1989 die Saalebahn heranschaffen...
Der Steinbruch mit seiner markanten Abbauwand sah sich nach kurzer Ruhe als Schießplatz wieder. Die Kalkschuttkegel am Wandfuß machten sich perfekt als Kugelfänger für die Ausbildung von Polizei und Betriebskampfgruppen. Selbst die männlichen Lehrlinge des Zeiss-Kombinates "durften" hier in den 1980er Jahren im Rahmen der sog. vormilitärischen Ausbildung Schußproben ins Gestein pfeifen lassen. Zum Glück hat ein Naturschutz-Großprojekt auf Bundesebene den Mönchsberg im Laufe der 1990er Jahre beräumt und in den Ring der Naturschutzgebiete um Jena integriert. So kann der Mensch heute mit Blick auf die zugebaute Aue im Tal dabei zusehen, wie sich die Natur die Flächen auf der Höhe zurückverwandelt. Das heutige Gewerbegebiet Göschwitz steuert unterdessen nicht unwesentlich bei zur Wirtschaftsleistung im "München des Ostens".
Kamera : Olympus VR-320
Bilder : 15x JPG QF, Stativ
Brennweite: 6,6 / 37 mm
Blende : F 9,9
Belichtung: 1/1000
Software : Hugin, Gimp, IrfanView
Arno Bruckardt, Hans-Jörg Bäuerle, Friedemann Dittrich, Jörg Engelhardt, Velten Feurich, Thomas Janeck, Wilfried Malz, Jörg Nitz, Jan Lindgaard Rasmussen, Danko Rihter, Werner Schelberger, Walter Schmidt, Matthias Stoffels, Jens Vischer
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Kommentare
Herzliche Grüße
Hans-Jörg
NB: ... mein erster Eindruck zu den Wolken war, dass diese eine leichte Magentafärbung haben!?!
Es grüßt Wolfgang
P.S.: Das Reload hat sich gelohnt, die erste Version gefiel mir wegen der Färbung nicht.
LG Jörg
Gruss Walter
Die Frage nach Porzellan ist aber genauso berechtigt: Im Städtchen Kahla zu Füßen der Leuchtenburg, die im Bild auch wieder zu sehen ist, gibt es eine namhafte Porzellanfabrik, und das schon seit 1844.
Es grüßt Wolfgang
Schön, wie sich mittlerweile hier oben über dem Saaletal alles entwickelt hat. Damals lag allerdings noch ziemlich viel Unrat herum, u.a. auch zahlreiche vollverzinkte SERO-Tragekisten.
Diese robusten Teile haben mich noch lange Jahre bei der Feldarbeit als unverwüstliche Transportbehältnisse begleitet.
Herzliche Grüße, Matthias.
Es grüßt Wolfgang
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